Liebe Leben Himbeerkuchen by Sofia May
Autor:Sofia May [May, Sofia]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-09-14T22:00:00+00:00
Jens rief mich am nächsten Morgen an, um mich zu fragen, ob der Strauß angekommen sei. Ich war ganz froh, seine Stimme zu hören, und wir verabredeten uns, er kündigte sich für vier Uhr nachmittags zum Kaffee bzw. Tee an. Meine sonst so überschäumend emotionalen Ausbrüche blieben aus, als ich ihn sah. Er stand vor mir mit noch einem Strauß Blumen, diesmal rote Rosen und ich fühlte, nichts, gar nichts. Mein rührseliges Herz sah überhaupt nicht ein, sich erneut auf Jens einzulassen. Ich ignorierte meine innere Leere und bat ihn herein, ich hatte Kuchen gebacken, die Himbeertorte meiner Oma. Wir setzten uns an meinen liebevoll gedeckten Kaffeetisch, in der Mitte stand eine Vase mit frisch gepflückten orange-gelben Tulpen.
»Möchtest du ein Stück?«
»Aber sicher, hast du ihn selbst gemacht?«, antwortete Jens freundlich, beäugte die Torte aber misstrauisch.
»Altes Familienrezept«, sagte ich stolz und klatschte ihm ein riesiges Stück auf den Teller.
Jens nippte am Schwarztee und kratzte verstohlen den Himbeerbelag herunter, ich sah es trotzdem.
»Magst du keine Himbeeren?« Ich versuchte, so neutral wie möglich zu klingen, aber seine ablehnende Haltung meiner Lieblingstorte gegenüber machte mich ärgerlich, auch wenn es ungerecht und kindisch war.
»Ich mag die Kerne nicht, aber die Torte an sich ist sehr schmackhaft«, sagte er und nickte anerkennend.
Die Torte war schmackhaft, soso. Was war das überhaupt für ein Wort, schmackhaft? Natürlich schmeckte sie nach was. Am liebsten würde ich ihm den Himbeerbelag in seine affektierte Visage schmieren. Was war bloß los mit mir? Sonst immer geduldig wie ein Schaf, fühlte ich mich heute wie eine geladene Waffe und die richtete sich ganz klar gegen Jens. Vielleicht konnte ich ihm doch nicht verzeihen, dass er mich in eine offene Beziehung drängen wollte.
»Fein«, presste ich heraus und schaufelte mein Stück Torte so schnell in mich hinein, wie es ging, ohne dass mir schlecht wurde. Je länger ich Jens dort sitzen sah, in seinem versnobten, unechten Aufzug, desto wütender wurde ich.
»Du sag mal, Alex. Ist dein Laden eigentlich versichert?«
Ich wusste nicht genau, warum ihn das interessierte.
»Jo hat damals für alles gesorgt und das Rundum-sorglos-Paket für mich abgeschlossen, wieso fragst du?«
Er tupfte sich mit dem Rand meiner rot karierten Stoffserviette den Mund leicht ab. »Nur so, ich habe da gute Kontakte und hätte dir eine Versicherung empfehlen können.«
»Aha.« Ich konnte mich heute nicht mit ihm unterhalten. Gerade, als ich ihm von meinen unerträglichen Kopfschmerzen erzählen wollte, klopfte es an der Tür. Es war Oma. Auch das noch.
»Du, der Jens wollte gerade gehen«, sagte ich und registrierte sein verständnisloses Gesicht, weil er gar nicht wusste, dass er das wollte.
»Ach, schön, das freut mich«, antwortete Oma und Jens blickte noch blöder drein, weil er Oma nicht kannte und auch nicht wusste, dass er sich nicht täuschte und sie ihn gerade ganz offen beleidigt hatte.
Sie stellte sich nicht vor, sondern setzte sich, begeistert darüber, dass sie nicht selbst hatte backen müssen, an den Tisch.
»Liebes, machst du mir eine Tasse Tee?« Obwohl ich meiner Großmutter sonst immer gehorchte, blieb ich unschlüssig stehen. Wenn ich die beiden jetzt hier allein ließ, würde ich Jens nie wieder sehen.
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